Online oder Offline
Online oder Offline
Eine Rolle rückwärts: In Sachsen schließen seit heute die Freizeit- und Kultureinrichtungen, aus dem Gang ins Büro wird die Einwahl aus dem häuslichen Arbeitszimmer, Präsenzveranstaltungen verlagern sich wieder in virtuelle Zusammenkünfte. Gut, dass wir in den letzten Monaten, ja sogar schon Jahren, einiges lernen, ausprobieren und erproben durften.
Ron von CROMATICS, die Kreativagentur in Dresden für die ganze Welt, hat die folgende Story im Gepäck: „Wir haben von einer kompletten Markenentwicklung bis hin zu Kreativworkshops für Mitarbeitende aus dem Visual Marketing einer Whisky-Marke einige vollständig virtuell umgesetzte Projekte gemacht. Inzwischen nutzen wir MURAL sogar als Tool bei analogen Workshops. Und trotzdem braucht es auch die physische Nähe bei bestimmten Themen und es gibt echte Fails, wo selbst gut geplante Online-Workshops nicht gut funktioniert haben.“
Fernab von jeder Notwendigkeit, was ist nun wirklich „besser“ – der Workshop im virtuellen Setting oder doch lieber in echt und in Farbe? Hier kommt die Gegenüberstellung gespickt mit ganz persönlichen Erfahrungswerten.
Nähe und Verbundenheit zwischen den Teilnehmenden
Es liegt auf der Hand. Bei einer Inzidenz von über 1000 bei einer für manche Menschen tödlich verlaufenden Krankheit kann ich mich im Onlineformat nicht anstecken. Zudem schütze ich meine Mitmenschen. Und dennoch, dank der digitalen Möglichkeiten können sich trotz physischen Kontaktbeschränkungen Menschen begegnen. Was wäre eine Pandemie ohne virtuelle Räume?
Und doch fehlt meines Erachtens die echte Nähe. Virtuell bekommen meine Augen nichts weiter als eine Kachel zu sehen, ein kleiner Ausschnitt eines Menschen. In Präsenz kann ich von der anderen Person den gesamten Körper wahrnehmen. Gestik und Körperhaltung kommuniziert auch das ungesagte. Berührungen, und sei es nur der Handschlag, stellen Verbindungen her.
Nähe und Verbundenheit können allerdings auch im virtuellen Setting entstehen. Das sind zumindest meine persönlichen Erfahrungen der letzten Jahre. Nicht in großer Runder, aber doch in 1-zu-1 Breakout Sessions.
Rahmenbedingungen wie Reise- und andere Aufwände
Bei online Veranstaltung kann jede:r egal wo er oder sie sich gerade befindet, teilnehmen. Einzige Voraussetzung ist eine gute Internetverbindung. Die Teilnehmenden müssen nicht anreisen, Wegezeiten bleiben gespart, Reisekosten tendieren gegen Null. Die übrigen Kosten für Raum und Verpflegung verlagern sich auf den Privatmensch. Das kann man gut oder schlecht halten. Tatsache ist jedoch, dass mit den virtuellen Zusammenkünften Menschen nicht mehr für kurze Stunden aus aller Welt für ein Meeting anreisen müssen. Unsere Umwelt dankt es. Die Aufrechnung mit Strom und Serverkosten lass‘ ich mal außen vor.
Und nicht nur, dass Reisekosten und -aufwand gespart werden, es ist auch komplett egal ob ich in Bermudas, Schlafanzug oder den feinen Zwirn trage. Im Onlinesetting tritt die Äußerlichkeit, die vielleicht auch verpixelt erscheinen mag, in den Hintergrund. Getroffen wird sich auf Augenhöhe.
Und doch macht es einen Unterschied, ob ich das Haus verlassen, mich auch mit meiner Erscheinung auf eine Veranstaltung vorbereite und einen anderen Ort aufsuche. Es ist wie eine gute Vorbereitungshandlung. Es unterstützt den Rollenwechsel.
Auf der anderen Seite macht es unglaublich sympathisch, wenn die Menschen sich in der Kachel mehr als Privatpersonen sehen, statt mit ihrer Maske.
Die bewusste Nutzung des Raumes
In Workshop setze ich sehr gern den gesamten Raum ein: in der einen Ecke steht der Kaffee bereit, in der anderen Hälfte des Raumes wird an der Metaplanwand gearbeitet und der Stuhlkreis für die Reflexion findet sich wieder woanders. Dadurch trenne ich Agendapunkte nicht nur thematisch, sondern auch räumlich und die Teilnehmenden können durch die Nutzung des gesamten physischen Raumes leicht in unterschiedlichen Ebenen – vom SmallTalk über die arbeitsintensive Phase bis hin zur Metaebene – wechseln. Virtuell lässt sich das trotz verschiedener Areas in der Kollaborationssoftware schwer abbilden.
Das Spiel mit den Rollen
Ich habe das Gefühl, dass die Rollen im virtuellen Raum klarer sind: Ich gebe als Coach den Rahmen, die Ergebnisse liegen in den Händen der Teams, so die Theorie. Wie leicht bin ich im echten Setting verführt, an den einzelnen Ergebnissen mitwirken zu wollen, zumindest gedanklich. Es ist ein leichtes, im virtuellen Raum sich zurückzuhalten und die Arbeitsphasen nach angelaufener Zeit hart zu beenden. Dafür gibt es diesen Button „Session stoppen“.
Fokus und Effizienz
Es wirkt, als ob die virtuellen Workshops deutlich effizienter sind. Dies zeigt sich auch in der Pause: die Pause wird angesagt und prompt verfinstern sich die Kacheln in schwarze Hintergründe. Wie wertvoll ist es da, eine Kaffeepause mit den anderen Teilnehmenden zu nutzen, ins Gespräch zu kommen und Beziehungen im off-topic Modus zu knüpfen. Das kann der virtuelle Raum aus meiner Erfahrung (noch) nicht leisten.
Auch während der Onlineveranstaltung sind die Teilnehmenden hier und da mal mit anderen Dingen beschäftigt. Die Präsenz im Raum ist im virtuellen Setting deutlich mehr von Störungen beeinflusst, als im physisch echten Raum. So piept zum Beispiel die Waschmaschine im Hintergrund, dessen Wäsche aufgehangen werden will. Oder der Paketdienst klingelt. Da ist fraglich, ob die Effizienz im Onlineformat wirklich besser ist.
Fazit
Das sind nur meine Argumente, ein für und ein wider. Hast du dir eine Meinung dazu gebildet? Was ist besser? Der Workshop in Präsenz oder online? Ich würde sagen, es kommt darauf an und ich halte es wie Ron: Online ist unglaublich viel möglich geworden. Und doch fehlt ein echter Kontakt, Verbundenheit, Beziehungsarbeit.
Für die effiziente und zielgerichtete Erarbeitung von Ergebnissen präferiere ich online, als Teilnehmende aus weiten Teilen der Welt anreisen zu lassen. Und doch würde ich diese mit Präsenzveranstaltungen ab und an für die Beziehungspflege, mit echten Begegnungen und SmallTalk zwischendurch koppeln. Wenn die Teilnehmenden in einer Stadt leben, ziehe ich die Moderation des Workshops im Raum vor.
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