die Hierarchie – vom Aussterben bedroht?

Die Hierarchie – ein Organisationsmodell vom Aussterben bedroht? Nicht heute, aber vielleicht irgendwann.

Die Hierarchie, eine seit Jahrhunderten gängige Struktur in Unternehmen, Familien sowie in öffentlichen Institutionen, hatte sich bisher mehr oder weniger gut bewährt. Sie ist ein auf Über- und Unterordnung beruhendes System. Die Elemente stehen in einer vertikalen Rangordnung mit zunehmender Entscheidungskompetenz zueinander. Wenige Personen führen, andere Menschen folgen. Ist dieses erprobte und in vielen Situationen effiziente Organisationsmodell die passende Struktur bei komplexen Problemstellungen?

Auch in der Tierwelt ist die Hierarchie etabliert. In einem Wolfsrudel übernimmt ein Alphatier die Führung, die anderen Rudeltiere vertrauen darauf. Ein anderes Beispiel kann bei Hühnern beobachtet werden, diese bilden ihre hierarchische Struktur über die „Hackordnung“ ab. Ein einziges Huhn hackt alle anderen Hühner und wird kaum selbst von anderen malträtiert. Das „Hacken“ spiegelt die Rangordnung wider. Die Verhaltensbiologen sehen den Nutzen einer Rangordnung im Tierreich darin, das Kraft und Zeit kostende Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern einer Gruppe auf ein Minimum beschränkt bleiben. Ist auch der Mensch ein Herdentier und braucht eine anführende Person?

In Unternehmen ist die Pyramide nach wie vor das vorherrschende Strukturmodell. Verantwortlichkeiten und Entscheidungsmacht nimmt mit dem Rang zu. Die Hierarchie bietet Klarheit bei den Kompetenzen und Zuständigkeiten. Reibungsverluste durch eine aufwändige Abstimmung untereinander werden minimiert. Allerdings nehmen die Informationswege mit der Anzahl der hierarchischen Stufen zu. Gewünschte Entscheidungsprozesse können langwierig sein. Können die Unternehmen mit einer hierarchischen Ordnung in einer sich stetig verändernden Welt mit der geeigneten Geschwindigkeit reagieren? Und was ist die Alternative, um mit der steigenden Komplexität in einem sich rasant verändernden System angemessen schnell Entscheidungen zu fällen?

Organisationsmodelle wie die Soziokratie oder Holokratie sind in den Unternehmen auf den Vormarsch. Sie setzen auf Selbstorganisation. Definierte Rollen werden von Personen entkoppelt, Autoritäten neu verteilt, klare Prozesse für die Entscheidungsfindung definiert. Die in einer Organisation tätigen Personen sollen ihr volles Potential ins System einbringen können. Durch die Entwicklung des einzelnen entwickelt sich die Organisation im Gesamten weiter hin zu einer Form, die schnell und flexibel agieren kann.

Allerdings orientiert sich auch unsere deutsche Rechtsprechung an der Hierarchie. Im Unternehmen braucht es formal eine oder wenige Personen, die unterschriftsberechtigt sind und für den Ernstfall Verantwortung gemäß dem deutschen Schuldrecht übernehmen. Aber kann die Gesamtverantwortung eines komplexen Systems auf ein paar Schultern getragen werden? Wenn sich die Pyramide umdreht, dann lastet das gesamte Gewicht auf einer Spitze. Es wirkt instabil. Hier braucht es von der Politik entwickelte Alternativen.

Wie kann die Hierarchie durch andere Organisationsmodelle abgelöst werden? Das setzen der juristischen Rahmenbedingungen ist die eine Seite. Die andere Seite ist die Anpassung im Unternehmen. Die Hierarchie ist ein seit Jahrhunderten erlerntes Strukturmodell, in unseren Köpfen und in unserer Wahrnehmung. Eine Änderung von heute auf morgen gleicht einer Überforderung. Diese Veränderung braucht Zeit und ein langsames schrittweises Vortasten.

In einem ersten Schritt können kleine Einheiten im Unternehmen zu agilen und stetig lernenden Systemen umgestaltet werden, sei es die Einführung von SCRUM in der Entwicklung, das Abhalten regelmäßiger Retrospektiven in zentralen Unternehmensbereichen oder die Durchführung von Design Sprints zum Lösen von komplexen Fragestellungen. In einem Design Thinking Sprint ist es essenzielle Voraussetzung, dass sich die Teammitglieder auf Augenhöhe begegnen, so dass jede Person ihr volles Potential entfaltet. Eine Hierarchie im Team wäre im Prozess absolut hinderlich. Kreative Lösungsideen würden auf der Strecke bleiben. Durch die Diversität im Team auf Augenhöhe erreiche ich eine offene 360° Perspektive auf eine Fragestellung. Wenn diese verschiedenen Sichtweisen zueinander finden, Masken abgelegt werden, die Kommunikation wertschätzend erfolgt und jeder Blickwinkel willkommen ist, dann finden wir die passenden Lösungen für die komplexen Themen unserer Zeit.

„Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.“ (Wolfang Goethe)

 

 


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