Fehlerkultur
Fehlertoleranz oder Null-Fehler-Politik? Eine Einladung zum Experimentieren
Fehler, dieser kleine Makel, der das Produkt oder den Prozess von der Perfektion abhält. Der Umgang mit ihnen ist vielfältig: vom Abstrafen über Ignorieren bis hin zum Willkommen heißen.
In den 1960er Jahren entwickelte Philipp B. Crosby die Null-Fehler-Strategie. Sein Ursprung hatte dieses Paradigma im Zuge des kalten Krieges, als Waffensysteme aufgrund der Bestückung mit atomaren Sprengköpfen damals wie heute keine Fehler verziehen.
Dagegen heißt es in der Innovationsentwicklung im weitesten und im Design Thinking im engeren Sinne „scheitere oft und früh“. Jeder entwickelte Prototyp dient dazu, Feedback einzuholen und zu lernen. Eine Perfektion gibt es nicht.
Auch in anderen Branchen und Situationen sind Fehler nicht zu entschuldigen. Nicht nur im Zuge der militärischen Aufrüstung der 50er Jahre gilt die Null-Fehler-Toleranz. Sei es bei der Entwicklung von Medikamenten, bei der Massenproduktion von Konsumgütern, bei der Herstellung von Lebensmitteln, Fehler können hier Kosten ins bodenlose treiben, Unternehmen stilllegen und sogar Leben schaden. Das Ziel einer minimalen Fehlerrate ist absolut berechtigt.
Wenn ich Kinder beobachte, dann sehe ich eine ganz andere Strategie. Hier wird experimentiert, Reaktionen beobachtet, aus Fehlern gelernt. Fehler sind wichtig für die Entwicklung, Es sind Erfahrungsschätze. Bis spätesten in der Schule der Rotstift angesetzt wird.
Der Rotstift spiegelt eine Kultur wider, die in unserem Alltag sowie in den Unternehmen sich fortsetzt. In meinem Studium lernte ich noch Six Sigma, ein Ansatz der Null-Fehler-Strategie mit dem Ziel von nahezu fehlerfreien Prozessen (3,4 Fehler auf 1 Mio. Fehlermöglichkeiten), kennen.
Es scheint, als ob diese unterschiedlichen Sichtweisen auf zwei entgegengesetzten Enden einer Linie befinden. Und doch hat die Null-Fehler-Strategie mit Six Sigma und die Herangehensweise bei Innovationsentwicklung mit Design Thinking viel gemeinsam: Fehler im Sinne von Abweichungen von einer festgelegten Norm dienen des Lernens und der Verbesserung. Fehler laden dazu ein, Fortschritte zu machen und das Produkt, den Prozess, das Unternehmen wie auch den Menschen weiter zu entwickeln. Ohne Fehler kein Lernen. Dafür braucht es einen offenen Umgang mit Fehlern und die Bereitschaft diese als Chance zu nutzen.
„Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten.“ (Konfuzius)
Innovationsentwickler heißen Fehler willkommen, sehen diese als unvermeidbare Begleiterscheinung bei Entwicklungsprozessen an und betrachten Fehler als Chance. Sie würdigen das produktive Potenzial des Fehlers.
Und so sind die spannendsten Innovationen aus vermeintlichen Fehlern entstanden:
- Prinzip der Impfung durch Louis Pasteur (1864)
- Dynamit durch Alfred Nobel (1867)
- Post-it’s durch Spencer Silver (1968)
- Tesafilm durch Entwickler der Firma Beiersdorf (1935)
So sehr ich mich in die Motivation zum Verfolgen der Null-Fehler-Strategie hineinversetzen kann, sosehr werbe ich für einen positiven Umgang mit Fehlern. Irren ist menschlich. Und jeder Fehler kann der Stolperstein für den nächsten Entwicklungshub sein.
Es lohnt ein differenzierter Blick: Wo gibt es Raum zum Experimentieren? Mit welchen Prototypen können Lerngewinne erzielt werden? Welche Fehlertoleranz kann ich in welchem Bereich verkraften? Und in welchen Bereichen sind Fehler nicht zu entschuldigen.
Und ganz allgemein lohnt sich die Fragestellung: Welche Kultur besitzt mein Unternehmen in Bezug auf Fehler? Wie fällt die Reaktion auf Fehler aus? Werden Sie geächtet oder als Chance genutzt?
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