Design Sprint von Google Ventures

„Solve Big Problems and test new ideas in just five days”

-der Design Sprint á la Google als kleiner Bruder des Design Thinkings-

Ganz ehrlich, ist diese Überschrift nicht ein wenig überspitzt dargestellt? Können unsere Probleme wirklich in nur fünf Tagen in einem Sprint gelöst werden?

Design Thinking im klassischen Sinne ist ein menschenzentrierter Ansatz, der das Bedürfnis in den Mittelpunkt des Geschehens stellt. Letztens in einem Workshop fragte mich ein Teilnehmer, wie Design Thinking für technische Probleme im B2B Segment (ohne Menschen mit einem konkreten Nutzerbedürfnis) Anwendung finden kann. Ich begab mich hierfür auf die Suche nach einer Erklärung und habe im Bücherregal des Konnektiv62 die Antwort im Bestseller „Sprint – how to solve big problems and test new ideas in just five days“ von Google Ventures gefunden. Tatsächlich wendet Google eine abgewandelte Form des klassischen Design Thinkings an und entwickelt damit technische Neuheiten, in nur fünf Tagen. Wirklich? Wie macht Google das und was ist der Unterschied zum klassischen Design Thinking? Lasst uns gemeinsam vom Global Player lernen und ihn auf den Zahn fühlen.

DIE AUSGANGSLAGE MIT DEN RAHMENBEDINGUNGEN

Die Ausgangslage ist die gleiche wie beim klassischen Design Thinking: wir brauchen ein interdisziplinäres Team von 5 Personen mehr oder weniger die in einem flexiblen Raum eine Fragestellung / einer Challenge auf den Grund gehen. Google hebt noch die Wichtigkeit eines „Entscheiders“ im Team hervor. Aber hey, wenn die entwickelte Lösung wirklich das komplexe Problem löst, dann verkauft sich die Idee doch von selbst? Und warum braucht es eine einzelne Person zum Entscheiden, statt das befähigte Team? Aber das ist wohl ein anderes Thema…

Das Workshopdesign ist zeitlich sehr streng vorgegeben: Montag bis Freitag von 10-17 Uhr mit einer Stunde Mittagspause. Sehr strikt und damit ein strukturierter machbarer Rahmen. In der Praxis eines klassischen Design Sprints wird eher flexibel je nach Rahmenbedingungen agiert, entsprechend ist auch die Spannweite zwischen ersten Ideen und Impulsen und umsetzbaren marktfähigen Lösungen.

Und noch eine sehr gute Regel, die Google anwendet und die in jedem Workshop common sense sein sollte: no device. Ohne Mobiltelefone und Laptop bleibt der Fokus bei der Challenge.

DER ABLAUF: FÜNF TAGE DURCHDESIGND

Das Workshopdesign des Google Sprint ist getacktet im Montag bis Freitag Modus von 10-17 Uhr mit einer einstündigen Mittagspause um 13 Uhr. Wer mag, kann die Schritt-für-Schritt-Anleitung eins zu eins für seinen eigenen Workshop übernehmen. Empfehlen würde ich allerdings, hier den großen Werkzeugkoffer des Designs Thinkings und anderen Methodensets mit zu Rate zu ziehen um an der jeweiligen Stelle methodisch die passendere Variante auszuwählen. Google liefert aber einen sehr guten Entwurf mit folgender Blaupause:

Montag: “Monday’s structured discussions create a path for the sprint week. In the morning, you’ll start at the end and agree to a long-term goal. Next, you’ll make a map of the challenge. In the afternoon, you’ll ask the experts at your company to share what they know. Finally, you’ll pick a target: an ambitious but manageable piece of the problem that you can solve in one week.”

  1. PURPOSE
    Wofür machen wir den Sprint? Was ist das langfristige Ziel? Diese Fragen werden zu Beginn im Team erörtert.
  2. VERSTEHEN – CHALLENGENÄHERUNG UND STAKEHOLDERMAP
    Welche Fragen stecken in der Challenge? Wer ist beteiligt? Wie interagieren die Beteiligten untereinander, um ein gewünschtes Endresultat zu erhalten? Dies wird in Form einer Landkarte mit Startpunkt, Akteuren, Interaktionen und Endpunkt festgehalten
  3. OBSERVE – EXPERTENBEFRAGUNG
    Im Design Thinking werden die Nutzer:Innen mit deren Bedürfnissen befragt und beobachtet. Beim Google Sprint werden hierfür Expert:Innen genutzt. Die Methode ist die selbige: das klassische qualitative Tiefeninterview. Dieser Ansatz ist eine wunderbare Idee, um im B2B-Segment innovative Ideen zu generieren. Der externe Blick hilft, die Problematik zu verstehen und weitere Erkenntnisse mit aufzunehmen.
  4. POV – PROBLEMSTATEMENT
    Wo ist der Fokus? Auf was wollen wir uns in der Challenge konzentieren. Hier verwendet Google die bekannte und gut erprobte „How-might-we“-Fragestellung

Dienstag: “After a full day of understanding the problem and choosing a target for your sprint, on Tuesday, you get to focus on solutions. The day starts with inspiration: a review of existing ideas to remix and improve. Then, in the afternoon, each person will sketch, following a four-step process that emphasizes critical thinking over artistry. You’ll also begin planning Friday’s customer test by recruiting customers that fit your target profile.”

  1. IDEATE – REMIX & IMPROVE
    Was gibt es schon? Wo gibt es Analogien? Hier heißt es sammeln und den Ideenpool anreichern.
  2. IDEATE – IDEENZEICHNEN & CRAZY8
    Es können noch mehr Ideen entstehen. Mit der Methode Crazy8, eine abgewandelte Form des Ideenzeichnens, soll jede:r auf einem Blatt A4 Papier acht Ideen in acht Kästchen zeichnen.
  3. PROTOTYP – SKETCH
    Welche Idee ist besonders? Welche darf in die Hall of Fame der Ideen mit einziehen? Eine erste Skizze der besten Ideen dient als Schlusspunkt für den zweiten Tag.

Mittwoch: “By Wednesday morning, you and your team will have a stack of solutions. That’s great, but it’s also a problem. You can’t prototype and test them all—you need one solid plan. In the morning, you’ll critique each solution, and decide which ones have the best chance of achieving your long-term goal. Then, in the afternoon, you’ll take the winning scenes from your sketches and weave them into a storyboard: a step-by-step plan for your prototype.”

  1. POV – DOT VOTING
    Welche Idee gewinnt für diesen Sprint? Hier wird eine Idee via Dot-Voting ausgewählt.
  1. STORYBOARD
    Mit Hilfe eines Storyboards erstellt das Team eine Schritt-für-Schritt Anleitung für den Prototypen. Wer macht was bis wann? Was braucht es dafür? Diese Fragen sollen hier geklärt werden.

Donnerstag: “On Wednesday, you and your team created a storyboard. On Thursday, you’ll adopt a “fake it” philosophy to turn that storyboard into a prototype. A realistic façade is all you need to test with customers, and here’s the best part: by focusing on the customer-facing surface of your product or service, you can finish your prototype in just one day. On Thursday, you’ll also make sure everything is ready for Friday’s test by confirming the schedule, reviewing the prototype, and writing an interview script.”

Der Donnerstag steht ganz im Zeichen des PROTOTYPINGS sowie in Vorbereitung des Testszenarios.

Freitag: “Your sprint began with a big challenge, an excellent team—and not much else. By Friday, you’ve created promising solutions, chosen the best, and built a realistic prototype. That alone would make for an impressively productive week. But you’ll take it one step further as you interview customers and learn by watching them react to your prototype. This test makes the entire sprint worthwhile: At the end of the day, you’ll know how far you have to go, and you’ll know just what to do next.”

Am Freitag wird geTESTet.

FAZIT: UND NUN?

Der Design Sprint nach Google orientiert sich an den Mikrozyklus des Design Thinkings, wobei statt Nutzer:Innen die Expert:Innen befragt werden und die Nutzer:Innensicht maximal am Ende zum Zuge kommt. Für ein klassisches Konsumentenprodukt ist dies meines Erachtens zu spät. Hier wäre es wichtig, das das Team die Bedürfnisse im direkten Kontakt ermittelt. Für hoch komplexe technologische Themen im B2B-Umfeld ist dieses Vorgehen durchaus sinnvoll.

Was im Design Sprint aus meiner Sicht fehlt sind die schnellen und kurzen Iterationen, eine Idee zu validieren, testen, verwerfen, neu denken, weitersehen, ausbauen, Feedback einholen, neue Erkenntnisse integrieren, Experimente formulieren, … . vom paper prototyp zum validen Lösung. Kann in 5 Tagen eine Innovation entwickelt werden? Durchaus. Aber innovativ macht sie sich erst mit der Iteration.


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